Probleme

Zeitumstellung

Zweimal jährlich muss unser Körper etwas mitmachen, das manche Wissenschaftler als “Mini-Jetlag” beschreiben: Die Zeitumstellung. Lesen Sie hier, welche Auswirkungen sie hat und welche Tipps helfen.

Wenn die Uhren im Frühling eine Stunde nach vorn, beziehungsweise im Herbst eine Stunde zurück gestellt werden, kann unser Biorhythmus aus dem Takt kommen.

Die Umstellung auf die Sommerzeit im Frühjahr ist besonders schwierig, da uns netto eine Stunde geraubt wird, welcher wir oft tage- bis wochenlang hinterherlaufen. Insbesondere Eulen, also späte Chronotypen, leiden. Sie verspüren länger anhaltende Nachwirkungen, da die neue Zeit noch weniger als bei den Lerchen ihrer inneren Uhr entspricht. Die Folgen können mit einem Jetlag verglichen werden. [1]

Der Wechsel zur und von der Sommerzeit unterbricht den natürlichen Verlauf des Sonnenaufgangs mit der Uhrzeit. Somit wird unsere körperliche Anpassung an die Lichtverhältnisse gestört. [1]

In Studien wurde gezeigt, dass das Zurückstellen der Uhren im Herbst weniger Probleme bereitet [1]. Das liegt laut Experten daran, dass die innere Uhr der meisten Menschen sowieso hinterherhinkt.

Folgen

Die gängigsten Folgen der Zeitumstellung  sind Müdigkeit und Niedergeschlagenheit, welche bei empfindlichen Personen Tage bis Wochen andauern können. Unsere innere Uhr bestimmt, was Körper und Gehirn zu welchem Zeitpunkt des Tages machen. Wird diese durcheinander gebracht, können Probleme entstehen, die sich auch auf Psyche und Körperfunktionen auswirken [2].  So wurde beispielsweise in mehreren Studien gezeigt, dass die Herzinfarktrate in den Tagen nach der Sommerzeitumstellung erhöht ist. Am Montag nach der Zeitumstellung war sie laut einer Studie um ganze 24% höher, als in anderen Wochen [3].  Die Anzahl der Verkehrsunfälle erhöht sich ebenfalls – und traurigerweise auch die Suizidrate [4,5]. Andere Studien liefern weniger eindeutige Ergebnisse, [6] aber es scheint im Großen und Ganzen klar zu sein, dass die Zeitverschiebung gesundheitliche Auswirkungen hat.

Doch nicht nur das, auch unsere Denkleistung und Konzentrationsfähigkeitkann durch die Zeitumstellung negativ beeinflusst werden. Etwa neigen Arbeitnehmer kurz nach der Umstellung im Frühjahr vermehrt zu “Cyberloafing”, also dazu, im Büro andere Dinge im Internet zu tun als ihre eigentliche Arbeit [7]. Eine Studie über US-amerikanische Schüler brachte noch dramatischere Ergebnisse: In Staaten, in denen regelmäßig zur Sommerzeit gewechselt wird, schneiden die Schüler schlechter in standardisierten Tests ab [8].

Zeitgeber Checkliste für die Umstellung auf die Sommerzeit

Wie können Sie die Zeitumstellung bestmöglich überwinden? Ein paar einfache Maßnahmen können den großen Unterschied machen. Der folgende Guide verrät Ihnen, wie Sie das Wochenende der Zeitumstellung meistern, indem Sie Ihre innere Uhr mit nach vorne verstellen.

Samstag
  • Gehen Sie unmittelbar nach dem Aufstehen an die frische Luft unter freien Himmel.
  • Verbringen Sie am Vormittag mindestens 1 Stunde unter freiem Himmel, zum Beispiel im Garten oder spazierend im Park.
  • Wenn Sie Sport machen, dann am Vormittag oder frühen Nachmittag, nicht später.
  • Essen Sie das Abendessen eine halbe Stunde früher als sonst.
  • Vermeiden Sie 2h vorm Schlafengehen künstliche Lichtquellen so gut wie möglich. Falls nicht möglich, reduzieren Sie die Helligkeit auf ein Minimum - Kerzen sind erlaubt.
Sonntag
  • Gehen Sie unmittelbar nach dem Aufstehen an die frische Luft unter freien Himmel.
  • Verbringen Sie mindestens 1h am Vormittag unter freiem Himmel, idealerweise unter körperlicher Betätigung (z.B. Laufen, Radfahren, Walken). Neben dem Einfluss auf die innere Uhr, hilft Ihnen das auch direkt, am Abend trotz früherer Uhrzeit gut einzuschlafen.
  • Nehmen Sie Ihre Mahlzeiten gemäß der neuen Uhrzeiten ein. Vermeiden Sie insbesondere ein spätes Essen am Abend.
  • Reduzieren Sie Kunstlicht am Abend auf ein Minimum. Ein Offline-Abend, etwa mit einer warmen Dusche/einem warmen Bad eine Stunde vor dem Schlafengehen, kann Ihnen helfen, besser einzuschlafen

Allgemein bleibt zu sagen, dass die eigenen Routinen möglichst langsam an die neue Uhrzeit angepasst werden sollten. Je früher sie beginnen, ihre Schlafenszeit vorzurücken, desto leichter wird der Umstieg fallen.

Wenn sie erfahrungsgemäß sehr stark auf die Zeitumstellung reagieren, sollten sie die ersten Tage wenn möglich weniger Autofahren und gefährliche Tätigkeiten meiden. Die erhöhte Unfallwahrscheinlichkeit in diesen Tagen kann so umgangen werden.

Warum das Ganze?

Warum Politiker einst die Sommerzeit beschlossen haben, steckt in ihrem Englischen Namen: “Daylight saving time” – um die Zeit des Tageslichts zu verlängern und somit letztendlich Energie zu sparen. 1996 wurde die Sommerzeit durch die EU vereinheitlicht, sodass inzwischen alle Mitgliedsstaaten ihre Uhren am letzten Sonntag im März vor- und am letzten Sonntag im Oktober zurückstellen. Insgesamt versuchen rund 70 Staaten durch diese Maßnahmen Energie zu sparen. Doch selbst dieser Hauptgrund für die Sommerzeit ist mittlerweile umstritten: Das deutsche Umweltbundesamt stellte fest, dass durch die nun benötigte Heizung in den frühen Morgenstunden der energiesparende Effekt wieder aufgehoben wird [9]. Viele Forscher plädieren daher für eine Abschaffung der Sommerzeit. Diese 2018 wurde EU-weit durch eine Online-Umfrage in den Fokus gerückt: 84% der rund 4.6 Millionen Antworten sprachen sich für eine Abschaffung aus. Die EU reagierte mit dem Beschluss, die Zeitumstellung 2021 das letzte Mal durchzuführen und den Staaten selbst zu überlassen, ob sie in Normal- oder Sommerzeit weiterleben wollen [10]. Somit wäre im März, beziehungsweise Oktober 2021 das letzte Mal an den Uhren gedreht worden. Einige Regierungen, wie etwa die Deutsche, beharren jedoch auf einer vorausgehenden Untersuchung der europäischen Kommission. Eine Folgenabschätzung sei unabdingbar vor einer so weit reichenden Entscheidung. Die Kommission weigert sich allerdings, diese zu liefern. Somit wird es wohl noch eine Zeit dauern, bis unsere Uhren ein letztes Mal umgestellt werden. [11]

Referenzen

[1] Thomas Kantermann, Myriam Juda, Martha Merrow, Till Roenneberg; The Human Circadian Clock’s Seasonal Adjustment Is Disrupted by Daylight Saving Time; Current Biology, Volume 17, Issue 22, 2007, Pages 1996-2000, ISSN 0960-9822, https://doi.org/10.1016/j.cub.2007.10.025.

[2] Manfredini R, Fabbian F, Cappadona R, Modesti PA. Daylight saving time, circadian rhythms, and cardiovascular health. Intern Emerg Med. 2018;13(5):641-646. doi:10.1007/s11739-018-1900-4

[3]  Sandhu A, Seth M, Gurm HS; Daylight savings time and myocardial infarction, Open Heart 2014;1:e000019. doi:10.1136/openhrt-2013-000019

[4] A Chronobiological Evaluation of the Acute Effects of Daylight Saving Time on Traffic Accident Risk; Fritz, Josef et al.;Current Biology, Volume 30, Issue 4, 729 – 735.e2

[5] Berk, Michael, Dodd, Seetal, Hallam, Karen, Berk, L, Gleeson, John and Henry, M (2008) Small shifts in diurnal rhythms are associated with an increase in suicide: The effect of daylight saving. Sleep and Biological Rhythms, 6 (1). pp. 22-25. ISSN 1446-9235

[6] Arthur Huang, David Levinson; The effects of daylight saving time on vehicle crashes in Minnesota; Journal of Safety Research, Volume 41, Issue 6, 2010, Pages 513-520, ISSN 0022-4375, https://doi.org/10.1016/j.jsr.2010.10.006.

[7] Wagner, D. T., Barnes, C. M., Lim, V. K. G., & Ferris, D. L. (2012). Lost sleep and cyberloafing: Evidence from the laboratory and a daylight saving time quasi-experiment. Journal of Applied Psychology, 97(5), 1068–1076. https://doi.org/10.1037/a0027557

[8] Gaski, J. F., & Sagarin, J. (2011). Detrimental effects of daylight-saving time on SAT scores. Journal of Neuroscience, Psychology, and Economics, 4(1), 44–53. https://doi.org/10.1037/a0020118

[9] https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/publikation/long/3535.pdf

[10]https://ec.europa.eu/germany/news/20180831-konsultation-sommerzeit_de

[11] WAZ. https://www.waz.de/politik/eu-der-bizarre-streit-um-das-ende-der-zeitumstellung-id231854187.html

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